
Der Vogtländische Verein – eine bewegte Geschichte
Um 1700: Der Alte Fritz holt sich Hilfe aus dem Vogtland
Berlin wurde 1709 zur königlichen Haupt- und Residenzstadt erklärt und ausgebaut. Der damit einhergehende Bauboom erforderte eine große Zahl an Bauleuten. Fast die Hälfte davon kamen nicht aus Preußen, die meisten aus dem Vogtland, aus der Gegend um Plauen. Sie arbeiteten von April bis September in Berlin und kehrten danach in Ihre Heimat zurück.
Wer und wie warb man die Bauleute an? Was reizte sie in eine 370 km entfernte Stadt zu reisen? Marschierten sie doch mindestens sechs Tage zu Fuß oder stellte der König Kutschen zur Verfügung? Reisen war damals nicht einfach. Vor allem mit viel Geld in den Taschen. Raubüberfälle gab es genug.
Gingen sie in Gruppen zurück oder wurden Kutschen bereitgestellt? Eine selbst bezahlte Kutschfahrt war bestimmt nicht billig. Die Bauarbeiter wollten ihr gut verdientes Geld bestimmt nicht an eine Fahrt verlieren. Eine beschwerliche Zeit für einfache Menschen.
1751: Eine Siedlung wird geplant
In einer Kabinett-Order vom 22.09.1751 an den Kommandanten von Berlin gab Friedrich seine Gedanken zur Ansiedlung der Handwerker vor dem Hamburger Thore bekannt. Er erteilte den Auftrag zur Prüfung, Planung und Projektierung mit dem Anliegen:
– das erarbeitete Geld sollte in Berlin bleiben
– das ehemalige Waldgebiet, dass er zu Beginn seiner Amtszeit abholzen ließ, war eine öde Sandwüste vor der Stadt und sollte so beseitigt werden.
In den nächsten Jahren entstanden je 15 einstöckige Doppelhäuser in 4 Reihen vor der damaligen Stadtmauer zwischen dem Hamburger- und dem Rosenthaler Tor. Bereits im Jahr 1754 lebten hier 66 Maurergesellen und 40 Zimmergesellen aus dem Vogtland mit ihren Familien.
Bei der großen Anzahl von Bauleuten lässt sich vermuten, dass viele bereits in Berlin geblieben sind und andere nur nach Hause gingen, um ihre Angehörigen zu holen. Immerhin liegen 42 Jahre zwischen dem ersten Eintreffen und der Order. Für die damalige Zeit fast ein Menschenleben.
Doch schon im Jahre 1775 waren davon nur noch 12 Maurer und 8 Zimmerer übrig. Was ist in den 19 Jahren geschehen? Gab es keine Arbeit mehr oder zog die Sehnsucht, die ins Alter gekommenen Bauleute, in ihre alte Heimat zurück?
Die Tendenz, dass sich besonders besitzlose, in Armut lebende Menschen in der Vorstadt niederließen, hielt auch um die Jahrhundertwende an. In einem Schreiben an das Königliche Armendirectorium vom 16.04.1792 heißt es: ….dass die armen Leute der „wohlfeilen Miethe wegen“ in diese Gegend gezogen sind.
Um 1800: Die Rosenthaler Vorstadt
Die weitere Konzentration der Stadtarmut in der Rosenthaler Vorstadt 1830 läßt sich auch an einer Übersicht über den Anteil der Bewohner in den einzelnen Stadtquartieren Berlins zeigen, die wegen ihrer Armut keine Kommunalsteuern zahlen können:
– Rosenthaler Vorstadt 52 %
– weitere Reviere 10 – 30 %
Nach dem die Vorstadt 1829 –1831 nach Berlin eingemeindet worden war, wurde sie bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs fast vollständig mit typischen Berliner Mietskasernen bebaut. Die Etappen der spätklassizistischen Bebauung von 1840 bis 1860 und der Folgebebauung der Gründerzeit nach 1870 mit repräsentativen Geschäftshäusern und Mietskasernen, die in der Regel mehreren Hinterhöfe besaßen, bestimmen noch heute die städtebauliche Eigenart dieser Straßen.
Obwohl es eine vogtländische Kolonie in Berlin nur sehr kurze Zeit gab und von ihr auch keine baulichen Spuren mehr zu finden sind, hat sich der Name bis heute erhalten. In den folgenden Jahren, vor allem mit dem weiteren Ausbau Berlins als Hauptstadt und Industriemetropole, zog es immer wieder auch Vogtländer unterschiedlichster Berufe hierher.
1900: Der Vogtländische Verein wird gegründet
Die Vogtländer waren und sind ein geselliges Volk. Sich fern ihrer Heimat regelmäßig zu treffen hat eine lange Tradition. Am 1. Februar 1900 war es dann so weit: in Berlin wurde der Vogtländische Verein gegründet („eingetr. Verein, landsm. Verein von Plauen i.V. und Umgegend“)
„Sein Gründungstag ist der 1. Februar 1900. Allda sich im damaligen Dorfkrugwirtshaus (Alte Jakobstraße 83) eine Anzahl Vogtländer zum ernsten Werk zusammenfand. Als Gründer sind bezeichnet der Dorfkrugwirt Max Köhler, die Zeichner Richard Köhler, Bernhard Friedrich, Kurt Friedrich, der Krankenkassenvorsteher Bernhard Ebersbach und Oberkellner Leonhard Roth. Bald wuchs der Verein außerordentlich an. Im Verein herrschte – wie sollte es anders sein – stets Eintracht und Freundschaft, ja eine Brüderlichkeit ohnegleichen. Die Mitglieder waren vollständig ‘derham’.
Es kamen auch schwere Stunden, so als 1904 und folgende Jahre die Zahl der Getreuen gar gewaltig zusammenschmolz. Jetzt spürt man wieder frischen Hauch, und 50 Vogtländer gehören dem von Alfred Seidel geleiteten verein an. Die Zusammenkünfte finden Donnerstags im Restaurant Spindlersbrunnen (Wallstraße 1) statt.“
Quelle: Heimat-Buch der Vereinigung vogtländischer Schriftsteller und Künstler, 3. Auflage, Selbstverlag der Vereinigung, Plauen i.V. Gedruckt in der Kunstanstalt Moritz Wieprecht GmbH, 1912, übernommen aus: Vereinsgeschichtlicher Überblick von Erwin Belger, Plauen
„Vor 100 Jahren Vogtländer-Abende in Berlin sind die rasch beliebt gewordenen Zusammenkünfte der dort ansässigen Vogtländer. Sie finden jeden Mittwoch statt, und zwar ab 15. April 1903 im „Spatenbräu“, Friedrichstraße 172 bei Ludwig Vogel, der aus Plauen stammt. Jeder Landsmann ist herzlich willkommen, auch wer in Geschäften usw. Berlin besucht, sei auf diesen Treffpunkt von Vogtländern aufmerksam gemacht. Demnächst werden auch Vorträge über die Heimat gehalten und gemeinsame Sonntags-Ausflüge in die Umgegend von Berlin unternommen.“ (ksch)
Knapp 100 Jahre später: die Neugründung
Anfang 2003 wurde die alte Tradition wiederentdeckt und am 14.10.2003 der Vogtländische Verein zu Berlin e.V. unter dem Vorsitz von Robert Hochbaum, Katrin Fischer und Thomas Koppisch, im Lokal „Tucholsky“ gegründet. Später übernimmt Yvonne Magwas den Vereinsvorsitz.
„Sein Gründungstag ist der 1. Februar 1900. Allda sich im damaligen Dorfkrugwirtshaus (Alte Jakobstraße 83) eine Anzahl Vogtländer zum ernsten Werk zusammenfand. Als Gründer sind bezeichnet der Dorfkrugwirt Max Köhler, die Zeichner Richard Köhler, Bernhard Friedrich, Kurt Friedrich, der Krankenkassenvorsteher Bernhard Ebersbach und Oberkellner Leonhard Roth. Bald wuchs der Verein außerordentlich an. Im Verein herrschte – wie sollte es anders sein – stets Eintracht und Freundschaft, ja eine Brüderlichkeit ohnegleichen. Die Mitglieder waren vollständig ‘derham’.
Es kamen auch schwere Stunden, so als 1904 und folgende Jahre die Zahl der Getreuen gar gewaltig zusammenschmolz. Jetzt spürt man wieder frischen Hauch, und 50 Vogtländer gehören dem von Alfred Seidel geleiteten Verein an. Die Zusammenkünfte finden Donnerstags im Restaurant Spindlersbrunnen (Wallstraße 1) statt.“
Quelle: Heimat-Buch der Vereinigung vogtländischer Schriftsteller und Künstler, 3. Auflage, Selbstverlag der Vereinigung, Plauen i.V. Gedruckt in der Kunstanstalt Moritz Wieprecht GmbH, 1912, übernommen aus: Vereinsgeschichtlicher Überblick von Erwin Belger, Plauen
„Vor 100 Jahren Vogtländer-Abende in Berlin sind die rasch beliebt gewordenen Zusammenkünfte der dort ansässigen Vogtländer. Sie finden jeden Mittwoch statt, und zwar ab 15. April 1903 im „Spatenbräu“, Friedrichstraße 172 bei Ludwig Vogel, der aus Plauen stammt. Jeder Landsmann ist herzlich willkommen, auch wer in Geschäften usw. Berlin besucht, sei auf diesen Treffpunkt von Vogtländern aufmerksam gemacht. Demnächst werden auch Vorträge über die Heimat gehalten und gemeinsame Sonntags-Ausflüge in die Umgegend von Berlin unternommen.“ (ksch)
Die Zukunft
Von 2019 bis 2024 stand der Verein unter dem Vorsitz von André Schuster, Mandy Losse und Waldtraut Janke. Mit einer Neuausrichtung des Vereins sollen nun auch verstärkt jüngere Menschen angesprochen werden.
Das spiegelt sich auch im neuen, zeitgemäßen Design des Vereins wider: auf frischem Grün stehen sich die Göltzschtalbrücke und die Oberbaumbrücke gegenüber. Der Verein schlägt somit symbolisch Brücken zwischen der Hauptstadt und dem Vogtland, touristisch, wirtschaftlich und kulturell.
Seit Ende 2024 steuern nun Peter Bauerfeind, Gerhard Barth und die langjährige Schatzmeisterin Waldtraut Janke die Geschicke des Vereins.
Auch in der heutigen allgemeinen Vereinslustlosigkeit ist es bisher gelungen, einen festen Kern zu erhalten. Das lässt uns zuversichtlich in die Zukunft blicken. Neben regelmäßigen Stammtischen wird auch unsere jährliche Vereinsausfahrt in die vogtländische Heimat beibehalten.
Herkunft und Verbundenheit mit dem Vogtland sollen auch weiterhin ein tragendes Element unseres Vereins sein. Gern begrüßen wir Gäste aus der alten Heimat, die sich ganz oder zeitweilig in Berlin aufhalten.